Über Religiotie; aus einer Filmkritik von Michael Schmidt-Salomon:[1]
Religiotie als partielle Entwicklungsstörung
Dies sollte uns freilich nicht davon abhalten, uns mit dem Phänomen des
religiösen Wahns eingehender zu beschäftigen. Denn in der Tat wird die Welt
heute in einem erschreckenden Maße von Menschen regiert, die selbst die
verrücktesten Mythen für bare Münze nehmen. Solche Leute einfach als „Gläubige“
zu bezeichnen, wäre eine Beleidigung gegenüber all jenen religiösen Menschen,
die auch in Glaubensdingen noch bei Verstand sind und weder von der Existenz
„sprechender Schlangen“ noch von der realen Wandlung einer Teigoblate in den
„Leib Christi“ ausgehen. Inspiriert von „Religulous“ möchte ich deshalb einen
Begriff vorschlagen, der den Glaubenswahn, der uns alle mehr und mehr umgibt,
etwas besser verdeutlicht: den Begriff der „Religiotie“.
Unter „Religiotie“ (Kurzform für „religiöse Idiotie“) verstehe ich eine
spezielle Form der geistigen Behinderung, die durch intensive Glaubensindoktrination
vornehmlich im Kindesalter ausgelöst wird und die zu deutlich unterdurchschnittlichen
kognitiven Leistungen sowie spezifischen Einschränkungen des affektiven Verhaltens
führt, sobald es um glaubensrelevante Sachverhalte geht – etwa um das Anerkennen
der empirischen Belege der Evolutionsbiologie. Im Unterschied zu anderen Formen
der Intelligenzminderung muss sich Religiotie keineswegs in einem generell
reduzierten Intelligenzquotienten niederschlagen. So wie wir – beispielsweise beim
autistischen Syndrom – „Inselbegabungen“ feststellen können, gibt es allem Anschein
nach auch „Inselverarmungen“. Religiotie sollte deshalb vornehmlich als „partielle
Entwicklungsstörung“ verstanden werden – ein Begriff, den der Entwicklungspsychologe
Franz Buggle schon vor einigen Jahren vorgeschlagen hat, um die spezifischen
Denkhemmungen religiöser Fundamentalisten zu fassen.
Vor einiger Zeit gab es in der deutschen Wikipedia
den Artikel Religiotie. Dieser wurde auf Grund eines (scheinheiligen?) Löschantrages
mit der Begründung, er sei nicht hinreichend referenziert, gelöscht.
Als Alternative bot sich das Encyclopædia Wiki
an. Die Encyclopædia über sich selbst:
„Die Encyclopaedia nimmt in der Regel Artikel im Schnellverfahren auf, die in der deutschsprachigen
Wikipedia von der unvermeidlichen Löschung bedroht sind.“ Daher wurde der Artikel dorthin
verschoben.
Nach Beschwerden von christlicher Seite wurde der Artikel aber unverzüglich gelöscht mit der Begründung:
„Inhalt ist nicht im Wiki erwünscht: Aufgrund mehrerer Beschwerden
unerwünscht.“
Dazu sollte man wissen: Der Admin und Gründer der Encyclopædia ist davon überzeugt, dass
die Existenz von Jesus (und übrigens auch Mohammed) wissenschaftlich erwiesen sei …
Inzwischen findet man den Artikel in dem Altenativmedium
Wikimannia unter
„Religiotie“. Die
Wikimannia scheint zumindest bezüglich religionsbezogener Themen neutrale
Administratoren zu haben – im Gegensatz zur deutschen Wikipedia.
Der Artikel „Religiotie“
Der Autor des ursprünglichen Wikipedia-Artikels ist mir leider nicht bekannt. Glücklicherweise
hatte ich den Artikel vor der Löschung kopiert, so dass ich ihn nun hier – inzwischen etwas
ergänzt – zeigen kann.
Religiotie
Mit dem Begriff Religiotie, einer modernen Wortschöpfung als Kombination der beiden
Begriffe Religion und Idiotie, werden ideologisch-religiöse Auswüchse, Erscheinungen und
Extreme bezeichnet. Die vielleicht erstmalige Anwendung des Begriffs Religiotie findet
sich 2009 in einem Artikel von Michael Schmidt-Salomon im Humanistischen Pressedienst über
den Film „Religulous“[1.] Ein weiteres Beispiel ist die religiöse Verklärung der historisch nicht
belegten Gestalt des Jesus der Bibel[2.] Die Idiotie bezieht sich dabei allein auf den religiösen
Bereich, in anderen Gebieten sind die Betroffenen durchaus in der Lage, normale bis
überdurchschnittliche Leistungen zu erbringen. So war Osama Bin Laden ein Religiot, aber
gleichzeitig auch ein hochintelligenter Stratege[3.] Der Begriff wird zunehmend auch zur Kritik
von Politik verwandt, die aus Glaubensgründen die weltanschauliche Vielfalt nicht mehr erkennen
kann oder will[4.] In Zeitungen wird der Begriff Religioten benutzt, der von Religiotie
abgeleitet ist[5.]
Unter dem Begriff der Religiotie fallen auch Äußerungen und Interpretationen über religiöse
Inhalte, die offensichtlich falsch interpretiert oder hinzugedichtet wurden und als religiöser
Inhalt verkauft werden.